Ein kleiner langer Ausflug in die Zeit...

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...und zum Thema Angst.
Jeder meint ja zu kennen, was Vergangenheit und Zukunft sind; aber wer forscht da eigentlich schon richtig nach?
Wir meinen, dass die Zeit in eine bestimmt Richtung (Zukunft) läuft, weil die Zukunft auf die Vergangenheit aufbaut; die Vergangenheit sei die Grundlage für die Zukunft. Somit ist die Vergangenheit stets festgeschrieben und die Zukunft unbekannt und veränderlich.

Aber was ist denn Vergangenheit genau? Ist Vergangenheit nicht die Summe aller Erinnerungen, die ich im Kopf habe? Also besteht die Vergangenheit im Grunde genommen aus Gedanken an die Vergangenheit.

Wenn man es genau betrachtet, funktioniert es aber auch umgekehrt, nicht nur die Zukunft wird auf Grundlage der Vergangenheit gebildet sondern die Vergangenheit auch auf der Grundlage der Zukunft; hört sich erstmal verrückt an, aber ich erkläre es dir:

Jeder kennt ja bestimmte Ereignisse in der Vergangenheit, die man damals, oder damals kurz danach, eigentlich nicht so überblicken konnte wie man sie heute sieht. Man konnte einfach die Zusammenhänge nicht deutlich erkennen.
Einige Zeit später wird das gleiche Szenario jedoch deutlicher, es kristallisieren sich Zusammenhänge heraus und Situationen können im Kontext des Gesamten betrachtet werden. Und längere Zeit später sieht man diese Situation in der Retrospektive noch deutlicher.
Bei jeder dieser Betrachtungen sieht das Ereignis durch den veränderten Kontext und durch das inzwischen veränderte oder erworbene Wissen etwas anders aus. Die Telefonate mit den "Kofferhandys" in den 1990er Jahren waren noch etwas besonderes, heute lächeln wir müde darüber. Die Wahrnehmung des Ereignisses hat sich durch den veränderten Kontext im Laufe der Zeit verändert. Also hat sich die Vergangenheit verändert.
Das bedeutet doch nichts anderes, als dass die Vergangenheit durch die Zukunft geformt wird und deutlicher gemacht werden kann.

Vergangenheit entsteht durch die Zukunft, sie baut auf die Zukunft auf. Es gibt damit also auch eine Zeitrichtung, die entgegengesetzt zu der Zeitrichtung läuft, die wir kennen. Das ist offensichtlich.
Und wenn man es genau betrachtet, wird fast die gesamte Vergangenheit unmerklich ständig verändert und entsteht somit täglich neu; jeder Tag kann im Rückblick auf ein Ereignis neue Erkenntnisse bringen und verändert dadurch für uns die Erfahrung des Ereignisses. Auch wenn wir Teile vergangener Erlebnisse vergessen, verändert sich dadurch die Erinnerung und ergo damit für uns auch die Vergangenheit.

Es gibt also 2 Zeitpfeile in entgegengesetzte Richtungen, was nicht anderes bedeutet, dass sie sich gegenseitig aufheben.

Dann fragt sich jeder, aber es gibt doch Zukunft, was soll denn das???

Wie wir schon gesehen haben, ist die Erfahrung von Vergangenheit für uns nichts anderes als eine Sammlung von Erinnerungen, die aus Gedanken; Gedanken an Erfahrungen, Gefühle etc. bestehen.

Was ist für uns wirklich Zukunft?
Doch nichts anderes als eine Vorstellung von Zukunft, denn niemand weiß ja genau was wirklich kommt. Vorstellungen basieren aber wiederum auf Gedanken. Und da wir uns natürlich nur vorstellen können was wir kennen (also das was die Vergangenheit ist), ist Zukunft nichts anderes als Vergangenheit in die Zukunft projiziert.
Niemand kann sich das Unbekannte (was ja die Zukunft ist) wirklich vorstellen. Es wäre so, als ob 6jähre versuchen würden sich einen Orgasmus vorzustellen, das GEHT NICHT! Und da die Vergangenheit ja auch ständig neu geformt wird, ist sie eigentlich auch unbekannt.

Gedanken sind aber nie die Wirklichkeit, sondern nur eine Abbildung der Wirklichkeit, eine Erinnerung. Die Erinnerung an ein Gefühl ist nie so echt wie das wirklich gefühlte Gefühl, das Gefühl das man im Moment fühlt. Somit ist klar, dass die Welt der Gedanken keine Wirklichkeit ist, obwohl sie uns als Realität erscheint. Wenn die Welt der Gedanken aber keine Wirklichkeit ist, dann können Vergangenheit und Zukunft auch nicht existieren, da sie ja nur ein Produkt unserer Phantasie/Vorstellungen/Erinnerungen sind.

Und jetzt: da Vergangenheit und Zukunft offensichtlich nicht existieren, bleibt uns nur der Moment, die Gegenwart. Wir wissen nichts über die "Zukunft", ausser einem: jeder wird irgendwann einmal sterben.
Und so erfinden wir uns eine Zukunft, um das sterben soweit wie möglich hinauszuschieben und nicht daran zu denken. Da es ja aber keine Zukunft gibt und wir sterben MüSSEN, sind wir genaugenommen schon tot. Nur der Zeitpunkt steht noch nicht fest. Warum haben wir alle Angst vor etwas, was schon längst feststeht und im Gegensatz zur Zukunft eine wirkliche Tatsache ist?

Ist Angst nicht auch nur ein Gedanke? Kann Angst da sein wenn ich nicht denke? Und kann Angst WIRKLICHKEIT sein, wenn Gedanken keine Wirklichkeit sind? (Gefühle zählen auch dazu, sofern sie nicht etwas betreffen was genau gerade jetzt passiert, das Gefühl die Sonne auf dem Bauch zu spüren ist ein anderes Gefühl als die Erinnerung daran oder die Erinnerung im Zusammenhang mit der Angst die Sonne nie wieder spüren zu können). Es ist hier wichtig, zwischen Realität und Wirklichkeit zu unterscheiden. Jeder Mensch erlebt seine eigene Realität, die Welt sieht für jeden Menschen anders aus. Es gibt aber nur eine Wirklichkeit. Wenn ich von Angst spreche, dann spreche ich von der psychischen Angst, der gedachten Angst; nicht von der Angst die als Schutzfunktion auftaucht, wenn du z.B. vor einem plötzlich auftauchenden Raubtier stehst und flüchtest. Angst ist Realität, das ist klar, denn alles was wir erleben, egal ob es wirklich ist oder nicht, wird in unserem Kopf zur Realität. Aber es ist doch schon merkwürdig, dass wir uns soviel Leid einhandeln durch etwas, was keine Wirklichkeit ist...

Es gibt nur eine Wirklichkeit, das was gerade jetzt ist und je mehr ich in Gedanken (Vergangenheit/Zukunft) bin, desto weniger erlebe ich von der Wirklichkeit.
Wünsche sind auch Vergangenheit/Zukunft, sie führen uns weg von dem Moment der gerade jetzt ist. Die Wünsche funktionieren genauso wie die Ängste, alles ein Konstrukt des menschlichen Geistes. Da sagen dann manche, aber hey, wenn ich einen Wunsch habe und der wird mir erfüllt, dann bin ich doch glücklich.

Dabei übersehen sie, dass nicht der Wunsch glücklich macht, sondern das Sterben des Wunsches. Denn in dem Moment, wo der Wunsch erfüllt wird, stirbt er, er kann nicht mehr vorhanden sein und hat seinen Zweck erfüllt.

Warum sind die Menschen glücklich im Moment der Wunscherfüllung?
Gerade deswegen, wegen der Erfüllung. Nicht wegen des Gegenstandes den sie bekommen haben oder des Gefühls oder nach was auch immer sie strebten, nein, sie sind einen Moment lang glücklich, weil sie das seltene Gefühl erleben dürfen, einen Moment lang ohne Wunsch zu sein. Eben genau DAS Gefühl, das jemand hat, wenn er im Moment lebt. Man nennt es "wunschlos glücklich sein".

Ist es nicht absurd, dass die Menschen ständig den Wünschen nachjagen nur um immer wieder den Zustand des "wunschlos glücklich sein" erfahren zu dürfen? Sie bräuchten nur alle Wünsche auf einmal aufzugeben, egal welche Wünsche es auch sind. Wer das tut, erlebt das Paradies, man nennt dies vollkommene Hingabe. Denn wenn ich keine Wünsche mehr habe, ist alles perfekt.
Wenn ich keine Gedanken habe, ist alles perfekt, dann habe ich keine Angst mehr. Es reicht sogar schon, einfach nur zu erkennen, dass die Angst auf Gedanken basiert und dann können auch diese Gedanken da sein, sie sind aber entlarvt und haben dann keine Macht mehr und die Angst löst sich auf.

Wer bereit ist zu sterben (was nichts anderes bedeutet, der Tatsache ins Auge zu sehen dass der Moment des Todes unweigerlich kommen wird), wer totale Bereitschaft hat, der wird die Glückseligkeit erfahren, weil Zeit und Angst damit verschwinden. (Siehe dazu auch das Gedicht: Zeit zu Sterben ...öffnet sich in neuem Tab/Fenster )

Aber wir haben Angst zu sterben (und das ist die Urmutter aller Ängste, die anderen Ängste bauen darauf auf- nicht mehr zu sein- nichts mehr zu gelten etc.) weil wir denken, wir verschwinden mit dem Tod.

Wie schlecht ist doch unsere Schulbildung, welch schlechten Job haben unsere Lehrer geleistet. Da haben schon vor zig Jahren begnadete Wissenschaftler wie Einstein, Heisenberg und Co. herausgefunden, dass auf der Ebene der Quantenphysik die Materie aus Energie gebildet wird. Diese Energie ist aber keine Suppe von Teilchen oder so ähnlich, nein, es ist ein unendlich grosser Fluss der das gesamte Universum durchzieht, selbst da wo "Nichts" ist. Alles ist auf dieser Ebene mit allem verbunden und erscheint uns nur als "fest" weil es eben extrem schnell schwingt.
(Siehe dazu in der Rubrik "Spiele": Das Einstein Spiel ...öffnet sich in neuem Tab/Fenster )

Und dann glauben wir, dass wir Menschen jeweils eine Person sind, es gäbe uns und um uns herum den Rest des Universums. Aber wenn alles mit allem verbunden ist, dann gibt es weder uns noch den Rest.
Es kann nur einen Rest geben wenn etwas getrennt ist. Und wenn nichts getrennt sein kann, was ja offensichtlich ist, dann kann auch nichts sterben, oder? Sterben kann nur etwas was getrennt ist. Nichts stirbt wirklich, es gibt nur Verwandlung, Veränderung ständig und ewig. Nur die Vorstellung kann sterben. Und dann können wir das Universum in seiner Gesamtheit erleben.

Auch unser Körper ist ein Universum.
Selbst wenn wir mal nur den eigenen Körper betrachten, er besteht aus einer unglaublich komplipzierten und wunderbaren Ansammlung von Billionen von Lebewesen. Von wegen ich allein! Das gibt es nicht. Die Haut ist Heimat von Mikroorganismen, ohne Bakterien und andere Lebewesen (z. B. Darmflora) kann dieser Körperstaat nicht überleben. Nicht umsonst wird der Körper auch Organismus genannt.
Und was passiert beim Tod? Da ist nichts zu Ende. Das Herz bleibt stehen, OK, aber die Mikroorganismen leben noch eine ganze Weile weiter. Und in dem Prozess, den wir Verfall nennen, in diesem Prozess wird der Körper ständig von immer neuen Lebewesen bewohnt und verwandelt. Es ist kein Verfall. Es ist die Geburt neuen Lebens, eine Verwandlung, ohne irgendein wirklich merkbaren Schnitt, wenn man es mal von weiter weg und "neutral" betrachtet. Es gibt kein Sterben.

Wie schön!

Wir sind nichts anderes als ein Teil des gesamten Lebens, wobei das Wort "Teil" ansich schon falsch ist, genausowenig wie eine Welle ein"Teil" des Ozeans ist.

Wir sind die, die mit geschlossenen Augen in der Sonne herumlaufen und sich beklagen dass es so dunkel ist. Wir sind alle angefüllt von der grossen Sehnsucht nach Hause zu kommen und merken garnicht, dass wir schon längst zuhause sind.
Sogar mehr als das, wir SIND das Zuhause.
Wir sind ein untrennbarer Teil dieses wunderbaren unendlichen unfassbaren Zuhauses. Und dann versuchen wir mit unserem kleinen Geist, der ja nur in der Lage ist sich das bekannte vorzustellen, dieses unendliche und wunderbare unfassbare Zuhause vorzustellen.

Statt dass wir einfach akzeptieren, dass es für unseren Geist unfassbar ist und wir das Wunder, welches wir sind und welches alles ist, einfach anzunehmen.
Und dann die Leichtigkeit spüren.
Und die Liebe.

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